Zuhörerei: Notiz Nummer 126
„Ich hätte gerne ein Millionenlos“, sagt eine ältere Dame am Rollator. Die gibt’s nicht mehr. „Millionenlose gibt es nur im Dezember“, antwortet die Kioskverkäuferin. „Dann nehme ich die!“, sagt die Seniorin und zeigt auf ein Glücksrad mit Happy-Day-Losen. In der TV-Sendung Happy Day wird jemand fünfmal im Jahr um eine Million reicher.
„Wie viele dürfen es denn sein?“, fragt die Kioskfrau. „Alle! Wahrscheinlich sind sie eh alle Hans was Heiri.“ Sie zückt eine Hunderternote und packt die Glücksbringer in eine ihrer Taschen. Die Dame verschwindet genauso grusslos, wie sie gekommen ist.
Der ältere Kunde, der hinter der Frau auf der roten Corona-Markierung gewartet hat, bedauert: „Jetzt kann man das Glück nicht mehr kaufen!“ Die Kioskfrau kramt eine Schachtel mit neuen Glücklosen hervor. „Sie dürfen eines für mich aussuchen!“, sagt der Mann feierlich. Stattdessen gibt ihm die Kioskfrau einfach das Erstbeste. Der Mann ist fassungslos. Seine Frau legt noch eine Glückspost und zwei Arztromane dazu, bezahlt und meint: „Ist eh alles Hans was Heiri.“
Ich wollte den beiden wenigstens ein bisschen Glück wünschen. Das Glück blieb mir jedoch im Hals stecken.
Themen: Zusammenleben
Lena Estermann, notiert in der Zuhörerei unterwegs.
